27. September 2021
Die Frage:
Darf ein Zahnarzt, der den postgradualen Studiengang ‚Master of Science Kieferorthopädie‘ erworben und mehrere Jahre in dem Fach praktiziert hatte, seine Praxis als „Praxis für Kieferorthopädie“ bezeichnen?
Die Antwort:
Nein, denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Urteil vom 29.07.2021 (Az. I ZR 114/20), dessen Gründe nun veröffentlicht wurden, dürfen die Bezeichnung „Praxis für Kieferorthopädie“ nur solche Zahnärzte verwenden, die zusätzlich auch als „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ qualifiziert sind.
Geklagt hatte die Zahnärztekammer Nordrhein gegen einen Zahnarzt. Während das Landgericht in weiten Teilen die Ansicht der Kammer teilte, meinte das Oberlandesgericht (OLG), der Zahnarzt habe Recht. Der BGH wiederum hob das Urteil des OLG auf.
Die Bezeichnung sei irreführend und berufsrechtlich unzulässig. Zwar dürfen Zahnärzte auch ohne Weiterbildung grundsätzlich kieferorthopädische Leistungen erbringen, so der BGH, die Bezeichnung sei damit nicht objektiv unwahr. Doch weil die Volksgesundheit ein hohes Schutzgut sei und die unterschiedlichen Fortbildungen wichtig seien, müsse der Verbraucher aufgeklärt werden, mit welcher Qualifikation er es zu tun habe.
Der Umstand, dass der Zahnarzt z.B. Vorlesungen an einer Universität in Österreich im Rahmen des Studiengangs „Master of Science Orthodontics“ hält und seit langer Zeit kieferorthopädisch tätig ist, kam ihm nicht zu Gute. Entscheidend war, dass er keine von der Kammer anerkannte Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie absolvierte.
Ein Kernsatz der Begründung des Urteils lautet:
„Dem Durchschnittsverbraucher sind Facharzt- und Fachzahnarztbezeichnungen zwar nicht fremd; er kennt dementsprechend auch den Begriff „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ und noch mehr die gebräuchlichere Abkürzung „Kieferorthopäde“. Darunter stellt er sich einen Zahnarzt vor, der eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet der Kiefer-orthopädie mit bestandener Prüfung absolviert hat. Vertiefte Gedanken zur Dauer und zum Inhalt einer solchen Weiterbildung macht sich der Durchschnittsverbraucher hingegen nicht. Er weiß auch nicht, dass das für Ärzte grundsätzlich bestehende Verbot, außerhalb ihres Fachgebiets tätig zu werden, für Zahnärzte nicht gilt (vgl. §§ 33, 41 Abs. 1, § 51 Abs. 1 HeilBerG NW), und kieferorthopädische Leistungen daher auch durch approbierte Zahnärzte erbracht werden dürfen, die nicht dazu berechtigt sind, die Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“
oder „Kieferorthopäde“ zu führen.“