Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ralf Großbölting und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Nicola Reichel.
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran, zuletzt wurde am 1. Januar 2024 das E-Rezept eingeführt. Die bereits bestehenden „Online-Apotheken“ erweitern damit ihr Anwendungsfeld um verschreibungspflichtige Arzneimittel. Aufgrund dieser Neuerungen sind auch die Grenzen zulässigen Wettbewerbsverhaltens von Anbietern solcher Online-Marktplätze zu beschreiben. So entschied nun das OLG Karlsruhe mit seinem Urteil vom 13. März 2024 (Az.: 6 U 418/22), dass die Erhebung einer monatlichen Grundgebühr i.H.v. 399 Euro, die Apotheker für die Nutzungsmöglichkeit des Online-Marktplatzes zahlen müssen, nicht gegen das Makelverbot aus § 11 Abs. 1a ApoG verstößt. Hingegen wurde in dem Verlangen einer 10-prozentigen Transaktionsgebühr für OTC-Geschäfte ein unzulässiges, wettbewerbswidriges Verhalten gesehen, es verstoße gegen das Beteiligungsverbot aus § 8 S. 2 ApoG.
Im Einzelnen:
Nach § 11 Abs. 1a ApoG ist es Dritten untersagt, (elektronische) Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren. Das Makelverbot betrifft „Rx Medikamente“. Telos der Norm ist, Verhaltensweisen zu unterbinden, die neben der freien Apothekenwahl zumindest auch die – im Allgemeininteresse liegende – flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch wohnortnahe Apotheken abstrakt gefährden können. Bei der zielgerichteten Weiterleitung solcher Verschreibungen an eine vorteilsgebende Apotheke besteht die Gefahr, dass sich eine Art Monopolstellung etabliert, die wirtschaftlichen Druck auf andere niedergelassene Apotheken ausübt. Diese stehen dann vor der forcierten Entscheidung, sich dem Geschäftsmodell anzuschließen oder Verschreibungen zu verlieren.
Im vorliegenden Fall konnte das OLG Karlsruhe jedoch keinen Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG feststellen. Die Gebühr stelle keinen Vorteil dar, sondern sei das Entgelt für die Bereitstellung der Marktplatzinfrastruktur. Außerdem finde keine Beeinflussung der Kaufentscheidung der Kunden durch den Anbieter des Onlinemarktplatzes statt. Die Kunden entschieden selbst, bei welcher teilnehmenden Apotheke sie ihre Bestellung aufgeben möchte.
Ein Verstoß gegen § 8 S. 2 ApoG hingegen wurde bejaht. Das darin normierte Beteiligungsverbot zielt darauf ab, Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apothekern zunutze und sich einen Teil der gezogenen Früchte zu eigen macht. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit greift – wie im vorliegenden Fall – immer dann, wenn der Apotheker dem Dritten eine umsatzabhängige Vergütung zahlt.
Die gerichtliche Überprüfung dieses Wettbewerbsverhaltens wurde durch die AKNR (Apothekenkammer Nordrhein) angestoßen. Diese sah in dem Konzept des Online-Marktplatz Anbieters einen Verstoß gegen apothekenrechtliche Normen. Bevor die Kammer jedoch einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1, § 3a UWG gerichtlich geltend machte, klagte der Online-Marktplatz Anbieter selbst auf Feststellung, dass die AKNR keine wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen ihn habe. Darauf reagierte die Apothekenkammer mit einer Widerklage, in der sie genau diese Unterlassungsansprüche geltend machte.
In erster Instanz hat das Landgericht Karlsruhe das Plattform-Modell für unzulässig erklärt und der AKNR erlaubt, das wettbewerbswidrige Verhalten zu untersagen. Das Gericht stellte einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG sowie auch gegen § 8 S. 2 ApoG fest. In der Berufung, die der Marktplatzbetreiber einlegte, bestätigte das OLG Karlsruhe einen Verstoß gegen § 8 S. 2 ApoG. Die Erhebung der Grundgebühr erklärte es jedoch mangels Verstoßes gegen das Makelverbot für zulässig.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.