Werbung für die Zahnarztpraxis – „Kinderzahnarztpraxis“ (BGH, Urt. v. 07.04.2022 – I ZR 217/20 (OLG Düsseldorf))
Ein Beitrag von Dr. Ralf Großbölting und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Cennet-Sara Yildirim.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um eine niedergelassene Zahnärztin, die ihre Praxis in ihrem Internetauftritt als „Kinderzahnarztpraxis in der …Straße“ bewarb. Sie versprach dem Kind bzw. dessen Eltern unter anderem „Abenteuer im Wartezimmer“ und die Bereitschaft, auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes bei der Behandlung einzugehen. Die zuständige Zahnärztekammer mahnte die Praxis daraufhin wegen Irreführung des Verbrauchers nach §§ 5 Abs. 1 2. Fall 2 Nr. 3 UWG ab.
Die Frage:
Darf sich eine Zahnarztpraxis ohne besondere fachliche Kompetenz in der Kinderzahnheilkunde „Kinderzahnarztpraxis“ nennen?
Die Antwort:
Grundsätzlich ja, denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) erwarte der angesprochene Patient lediglich, dass die Ausstattung einer solchen „Kinderzahnarztpraxis“ kindgerecht sei und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen seien. Als Verbraucher ginge man nicht davon aus, dass die dort tätigen Zahnärzte über besondere fachliche Kenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfügen. Der BGH führte aus, dass selbst bei bestehender Verbrauchererwartung – gerichtet auf eine auf besondere fachliche Kenntnisse – die Werbung nicht irreführend sei, wenn substantiiert dargelegt werde, dass der Zahnarzt oder die Zahnärztin in einem Maße in der Kinderzahnheilkunde tätig sei, dass ihre fachliche Qualifikation auch einer so verstandenen Erwartung genüge.
Auch ergebe sich kein Verstoß gegen die Regelungen der Berufsordnung. Von der Vorinstanz wurde durchaus berücksichtigt, dass ein Zahnarzt nach der Berufsordnung einen Tätigkeitsschwerpunkt bezeichnen oder einen Fachzahnarzt erwerben könne, wenn er zuvor die spezifische Weiterbildung absolviere. Aus der Berufsordnung folgere aber nicht zwangsläufig, dass der Verkehrskreis annehme, in einer Kinderarztpraxis arbeite ein Zahnarzt mit Fachzahnarzttitel für Kinderheilzahnkunde. Es sei nicht erfahrungswidrig, dass die Berufsordnung eines so kleinen Berufsfelds das Verkehrsverständnis nicht prägt. Dies ergibt sich, so der BGH, bereits daraus, dass die Zahnärztekammer vorliegend nicht die Verwendung der Bezeichnung „Kinderzahnarzt/-ärztin“, sondern die Werbung mit der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ angegriffen hat. Der Durchschnittsverbraucher wisse zudem, dass sich Milchzähne von den Zähnen der Erwachsenen deutlich unterscheiden, und ginge daher nicht davon aus, dass jeder Zahnarzt schon aufgrund seiner Approbation über die bestmögliche Qualifikation zur Behandlung von Kindern verfüge.
Fazit
Im Ergebnis führt der BGH seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Werbung mit Qualifikationen konsequent fort (siehe hierzu auch unseren Beitrag zur Entscheidung „Praxis für Kieferorthopädie“). Das Urteil zeigt auch, dass es stark auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Qualifikation des werbenden Zahnarztes als auch hinsichtlich der individuellen Ausgestaltung der Werbung.