Für den Medizinsektor außerhalb der forschenden Industrie ist die Bedeutung von Patenten und Gebrauchsmustern zum Schutz technischer Erfindungen, von geschützten Designs sowie von Markenrechten nicht immer ersichtlich. Gleichwohl gibt es für den medizinischen Handel, für Labore und sogar für ärztliche Praxen Risiken, die man kennen und bewerten sollte, wie wir am Beispiel des Patentschutzes erläutern.
Das eigene (fehlende) Bewusstsein für die Risiken bei Schutzrechtsverletzungen steht häufig im Zusammenhang mit Missverständnissen, die wir hier aufklären:
„Ob von uns benutzte Geräte, Verbrauchsmaterialien usw. patentgeschützt sind, ist uns nicht bekannt. Der Patentinhaber muss uns darüber erstmal in Kenntnis setzen.“
Alle Schutzrechte geben ihrem Inhaber verschuldensunabhängige Ansprüche. Nur bei der Höhe des Schadensersatzes kann der Grad des Verschuldens eine Rolle spielen.
Sich als Gewerbetreibender prinzipiell nicht über einen möglichen Patentschutz zu informieren, ist zumindest grob fahrlässig, also schuldhaft.
„Als Arzt bin ich Freiberuflicher und betreibe kein Gewerbe. Patentschutz für ärztliche Tätigkeiten ist ja ausgeschlossen.“
Nur die ärztliche Behandlung direkt am Menschen ist nicht patentierbar, was sich aber z. B. nicht auf die dabei benutzten Gerätschaften und Verbrauchsmaterialien erstreckt. Bereits bei der prothetischen Versorgung von Patienten sind die Grenzen zur Gewerblichkeit im patentrechtlichen Sinne überschritten, und erst recht gibt es für Labortätigkeiten und die dort benutzten Verfahren, Geräte und Hilfsmittel keinen prinzipiellen Patentierungsausschluss.
„Die wenigen evtl. patentrechtlich relevanten Güter, die wir einkaufen, haben einen so geringen Warenwert, da können wir statt einer aufwändigen Prüfung besser eine Abmahnung / Klage in Kauf nehmen und uns dann immer noch nach anderen Bezugsquellen umsehen.“
Bei Rechtsstreiten entspricht der gerichtliche Streitwert einem imaginären Wert des Schutzrechts über seine Lebenszeit und nicht dem Warenwert. Bei Patentstreitigkeiten an den dafür spezialisierten Landgerichten beträgt der Streitwert üblicherweise mindestens 250.000 EUR und wird von den Gerichten ggf. sogar deutlich höher angesetzt.
Mit diesem Streitwert ergibt sich ein Prozesskostenrisiko in erster Instanz von mindestens 36.000 €. Hinzu kommen Schadensersatzansprüche, Ansprüche auf Rechnungslegung, Marktrückruf oder Vernichtung.
Verliert man in zweiter Instanz am Oberlandesgericht und hat noch parallel in zwei Instanzen erfolglos versucht, das Patent zu vernichten, liegt das Prozesskostenrisiko bereits bei über 163.000 €.
„Der Patentinhaber muss doch den Hersteller haftbar machen, was haben wir damit zu tun?“
Der Inhaber eines Patents kann seine Rechte auf jeder Vertriebsstufe gegen jeden durchsetzen, der geschützte Produkte herstellt, anbietet, in Verkehr bringt, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken einführt oder besitzt. Er wird sich also auch an die gewerblichen Endabnehmer wenden und damit den Druck auf den Hersteller erhöhen.
„Wir haben uns als GmbH organisiert, daher bin ich zumindest privat geschützt.“
Bei Schutzrechtsverletzungen werden nahezu immer auch die Geschäftsführer persönlich verklagt und verurteilt.
„Für den Worst Case haben wir eine Rechtsschutzversicherung“
Rechtsstreitigkeiten wegen der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten sind meist von der Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung ausgeschlossen.
Um Ihr eigenes latentes Risiko einschätzen zu können, mit Ansprüchen aus gewerblichen Schutzrechten konfrontiert zu werden, haben wir die folgenden Fallgruppen aufgestellt:
1) Geringes Risiko: Ärztliche Praxis / Labor, die/das alle Geräte, Verbrauchsmaterialien usw. nur direkt vom Hersteller oder vom deutschen Großhändler bezieht.
Beim erstmaligen rechtmäßigen Inverkehrbringen durch den Hersteller/Patentinhaber in Deutschland sind Rechte aus Patenten usw. „erschöpft“, das heißt, auf den weiteren Vertrieb und die Benutzung hat dieser keinen Einfluss mehr. Sollte über den Großhandel dennoch ein patentgeschütztes, aber evtl. unrechtmäßig nachgeahmtes Produkt bezogen werden, kann man alle Kosten auf den Großhändler abwälzen.
Man ist allerdings nicht davor geschützt, dennoch Beklagter in einem Patentverletzungsverfahren zu werden.
2) Erhöhtes Risiko: Händler / ärztliche Praxis / Labor bezieht Original-Produkte aus dem Ausland.
Handelt es sich um Originalware des Patentinhabers, die dieser im Europäischen Wirtschaftsraum EWR in Verkehr gebracht hat, sind seine Patentrechte erledigt („erschöpft“) – bei pharmazeutischen Artikeln gilt dies nicht ohne Weiteres.
Die Beweislast dafür, dass die Güter mit Zustimmung des Rechtsinhabers im EWR in Verkehr gelangt sind, trägt jedoch der Beklagte, was ohne die Hilfe des Händlers im Ausland kaum zu erfüllen ist.
Bei Bezug von Gütern von außerhalb des EWR greift die genannte Ausnahme vom Patentschutz nicht. Hier kann eine Patentverletzung also sogar vorliegen, obwohl die Güter zweifelsfrei vom Patentinhaber stammen, aber eben in Gebieten außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden.
In dieser Fallgruppe wird es zudem schwer sein, eigene Kosten eines Rechtsstreits vom ausländischen Lieferanten erstattet zu bekommen.
3) Hohes Risiko: Ärzte und Labore, die auch forschend tätig sind und möglicherweise patentierte Verfahren, Geräte, Werkzeuge, Materialien weiter entwickeln.
Egal ob nur zur betriebsinternen Benutzung oder sogar zum Weiterverkauf an Dritte: werden bekannte Verfahren, Geräte, Werkzeuge, Materialien in einer neuartigen und bisher nicht bekannten Art und Weise weiter entwickelt, dann sollte zum einen die Option für einen eigenen Patentschutz geprüft werden.
Zum anderen muss sichergestellt sein, dass durch die eigene Weiterentwicklung keine fremden Schutzrechte verletzt werden. Die oben beschriebene Ausnahme vom Patentschutz („Erschöpfung“) greift u. U. nicht mehr, wenn Veränderungen am Originalprodukt vorgenommen wurden.
Patente bestehen oft für Erfindungen, die am Markt nicht sichtbar sind. Der Schluss, dass es kein patentgeschütztes Produkt gibt, weil es ja am Markt nicht verfügbar ist, darf niemals gezogen werden.
4) Sehr hohes Risiko: Händler / ärztliche Praxis / Labor bezieht Produkte unklarer Herkunft aus dem Ausland.
Beim Bezug von Gütern, die denen bekannter Hersteller ähneln oder z. B. Verbrauchsgüter zum Betrieb bekanntermaßen patentierter Geräte sind, ist höchste Vorsicht geboten, wenn die Herkunft klar ist. Hier sollte die Patentsituation umgehend geprüft werden.
Wie Patentanwälte Ihnen bei der Risikobeurteilung helfen können:
Egal ob nur zur betriebsinternen Benutzung oder sogar zum Weiterverkauf an Dritte: werden bekannte Verfahren, Geräte, Werkzeuge, Materialien in einer neuartigen und bisher nicht bekannten Art und Weise weiter entwickelt, dann sollte zum einen die Option für einen eigenen Patentschutz geprüft werden.
Zum anderen muss sichergestellt sein, dass durch die eigene Weiterentwicklung keine fremden Schutzrechte verletzt werden. Die oben beschriebene Ausnahme vom Patentschutz („Erschöpfung“) greift u. U. nicht mehr, wenn Veränderungen am Originalprodukt vorgenommen wurden.
Patente bestehen oft für Erfindungen, die am Markt nicht sichtbar sind. Der Schluss, dass es kein patentgeschütztes Produkt gibt, weil es ja am Markt nicht verfügbar ist, darf niemals gezogen werden.
Unser Gastautor Herr Oliver Tarvenkorn ist als Patentanwalt in Münster niedergelassen.