Eine Scheidung ist nicht nur emotional belastend, sondern bringt auch zahlreiche rechtliche und finanzielle Herausforderungen mit sich. Besonders die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens sorgt oft für Unsicherheiten und Konflikte. Im deutschen Familienrecht spielt der Zugewinnausgleich eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen gerecht aufzuteilen. Doch wie funktioniert der Zugewinnausgleich bei Scheidung genau, und was sollten Sie dabei beachten?
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Vermögensausgleich bei Scheidung. Wir erklären Ihnen die rechtlichen Grundlagen, zeigen Ihnen Schritt für Schritt, wie der Vermögensausgleich berechnet wird, und geben Ihnen wertvolle Tipps, damit Sie gut vorbereitet in Ihre anwaltlichen Scheidungsgespräche gehen können.
Was ist der Zugewinnausgleich?
Der Zugewinnausgleich ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Scheidungsrechts und regelt die Vermögensaufteilung zwischen Ehepartnern nach einer Scheidung. Er basiert auf dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der automatisch gilt, wenn Ehepartner keinen Ehevertrag mit einer anderen Regelung abgeschlossen haben. Innerhalb der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen der Ehepartner während der Ehe getrennt; das bedeutet, jeder Ehegatte bleibt Eigentümer seines eigenen Vermögens. Bei einer Scheidung jedoch soll der Zugewinnausgleich für einen fairen Ausgleich sorgen, indem das während der Ehe erzielte Vermögen gleichmäßig auf beide Partner verteilt wird.
Der Zugewinnausgleich beruht auf dem Prinzip, dass beide Ehepartner gleichermaßen von den wirtschaftlichen Erfolgen und Verlusten der Ehe profitieren sollen. Um den Zugewinn zu berechnen, wird das Vermögen jedes Ehepartners zu Beginn der Ehe (Anfangsvermögen) mit dem Vermögen zum Zeitpunkt der Scheidung (Endvermögen) verglichen. Der Unterschied zwischen Anfangs- und Endvermögen wird als Zugewinn bezeichnet. Der Ehepartner, der während der Ehe einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss die Hälfte der Differenz an den anderen Ehepartner ausgleichen.
Unterschied zwischen Zugewinnausgleich und anderen Formen des Vermögensausgleichs bei der Scheidung
Der Zugewinnausgleich ist spezifisch für die Zugewinngemeinschaft und unterscheidet sich von anderen Formen des Vermögensausgleichs, wie etwa der Gütertrennung bei Scheidung oder der Gütergemeinschaft. Bei der Gütertrennung wird das Vermögen der Ehepartner auch nach der Scheidung strikt getrennt behandelt, ohne dass ein Ausgleich stattfindet. In der Gütergemeinschaft hingegen wird das Vermögen während der Ehe zu gemeinschaftlichem Eigentum, das bei einer Scheidung nach bestimmten Regeln aufgeteilt wird. Der Zugewinnausgleich ist somit ein Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen und zielt darauf ab, eine faire Aufteilung des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens zu gewährleisten.
Wie wird der Zugewinnausgleich berechnet?
Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist ein zentraler Schritt im Rahmen einer Scheidung, um eine faire Aufteilung des während der Ehe erworbenen Vermögens zu gewährleisten. Der Prozess umfasst die Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens beider Ehepartner sowie die Berücksichtigung von Schulden, Erbschaften und Schenkungen. Im Folgenden erklären wir die einzelnen Schritte und wichtigen Aspekte der Berechnung.
Der erste Schritt zur Berechnung des Zugewinnausgleichs besteht darin, das Anfangs- und Endvermögen beider Ehepartner zu ermitteln.
- Anfangsvermögen: Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, das jeder Ehepartner zu Beginn der Ehe besitzt. Hierzu zählen sowohl positive Werte (z. B. Bankguthaben, Immobilien) als auch Schulden. Wichtig zu beachten ist, dass das Anfangsvermögen stets in seinem Wert zum Zeitpunkt der Eheschließung festgehalten wird. Hat ein Ehepartner Schulden zu Beginn der Ehe, kann das Anfangsvermögen auch negativ sein.
- Endvermögen: Das Endvermögen ist das Vermögen, das jeder Ehepartner zum Zeitpunkt der Scheidung besitzt. Auch hier werden sowohl positive Vermögenswerte als auch Schulden berücksichtigt. Im Gegensatz zum Anfangsvermögen wird das Endvermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags berechnet.
Der Zugewinn ist schließlich die Differenz zwischen dem Anfangs- und dem Endvermögen. Wenn ein Ehepartner während der Ehe also mehr Vermögen aufgebaut hat als der andere, ergibt sich hier ein Ausgleichsanspruch.
Einfluss von Schulden auf die Berechnung
Schulden spielen eine wesentliche Rolle bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs. Sowohl das Anfangs- als auch das Endvermögen können durch bestehende Schulden reduziert werden. Das bedeutet, dass Schulden, die zum Zeitpunkt der Eheschließung oder der Scheidung bestehen, von den jeweiligen Vermögenswerten abgezogen werden. Ist das Anfangsvermögen eines Ehepartners durch Schulden negativ, wird dieser negative Betrag in die Berechnung einbezogen und kann den Zugewinnausgleich erheblich beeinflussen. Auch Schulden, die während der Ehe aufgenommen wurden, werden bei der Berechnung des Endvermögens berücksichtigt.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Berechnung mit Beispiel
Die Berechnung des Zugewinnausgleichs erfolgt in mehreren Schritten:
1. Ermittlung des Anfangsvermögens beider Ehepartner:
Zunächst wird das Vermögen, das jeder Ehepartner zu Beginn der Ehe besaß, zusammengestellt. Hierzu zählen sämtliche Vermögenswerte wie Bankkonten, Immobilien, Fahrzeuge und andere Wertgegenstände. Schulden werden abgezogen.
2. Ermittlung des Endvermögens beider Ehepartner:
Als nächstes wird das Vermögen zum Zeitpunkt der Scheidung ermittelt. Auch hier werden positive Vermögenswerte addiert und bestehende Schulden abgezogen
3. Berechnung des Zugewinns:
Der Zugewinn eines jeden Ehepartners wird berechnet, indem das Anfangsvermögen vom Endvermögen abgezogen wird.
Beispiel:
Ehepartner A: Anfangsvermögen 20.000 €, Endvermögen 100.000 € → Zugewinn 80.000 €
Ehepartner B: Anfangsvermögen 10.000 €, Endvermögen 50.000 € → Zugewinn 40.000 €
4. Ermittlung der Ausgleichsforderung:
Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz zwischen den beiden Zugewinnen an den anderen Ehepartner zahlen.
Beispiel:
Differenz der Zugewinne: 80.000 € (A) – 40.000 € (B) = 40.000 €
Ausgleichsforderung: 40.000 € / 2 = 20.000 €
Ehepartner A muss Ehepartner B 20.000 € als Zugewinnausgleich zahlen.
Besondere Berücksichtigung von Erbschaften und Schenkungen
Erbschaften und Schenkungen haben eine besondere Stellung im Zugewinnausgleich, da sie in der Regel demjenigen Ehepartner zugerechnet werden, der sie erhalten hat.
- Erbschaften: Erbschaften, die ein Ehepartner während der Ehe erhält, gehören zwar zum Endvermögen, sie werden jedoch nicht als Zugewinn gewertet. Stattdessen werden sie dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, um den Zugewinn zu berechnen. Das bedeutet, dass Erbschaften den Zugewinn nicht erhöhen und somit keinen Ausgleichsanspruch begründen.
- Schenkungen: Ähnlich wie Erbschaften werden auch Schenkungen, die ein Ehepartner während der Ehe erhält, dem Anfangsvermögen zugerechnet. Dadurch wird vermieden, dass diese Schenkungen den Zugewinn und damit den Ausgleichsanspruch beeinflussen.
Beispiel:
Ehepartner A hat während der Ehe eine Erbschaft in Höhe von 50.000 € erhalten. Dieses Erbe wird dem Anfangsvermögen von A zugerechnet.
Anfangsvermögen: 20.000 € + 50.000 € (Erbe) = 70.000 €
Endvermögen: 100.000 €
Zugewinn: 100.000 € – 70.000 € = 30.000 €
Durch diese Regelungen soll sichergestellt werden, dass Vermögenswerte, die nicht durch gemeinsames wirtschaftliches Handeln der Ehepartner entstanden sind, nicht in den Zugewinnausgleich einfließen.
Zugewinnausgleich im Ehevertrag anpassen oder ausschließen
Ein Ehevertrag bietet Paaren die Möglichkeit, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft individuell anzupassen oder sogar ganz auszuschließen. Im Kontext des Zugewinnausgleichs kann ein Ehevertrag entscheidenden Einfluss darauf nehmen, wie das Vermögen im Falle einer Scheidung aufgeteilt wird.
Ohne einen Ehevertrag gilt in Deutschland automatisch der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass bei einer Scheidung der Zugewinn – also das während der Ehe erworbene Vermögen – gleichmäßig zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wird. Ein Ehevertrag ermöglicht es jedoch, von dieser gesetzlichen Regelung abzuweichen. Ehepartner können im Vertrag festlegen, dass der Zugewinnausgleich modifiziert wird oder dass andere Vermögensregelungen gelten sollen, wie etwa die Gütertrennung oder eine modifizierte Zugewinngemeinschaft, bei der bestimmte Vermögenswerte vom Zugewinnausgleich ausgenommen werden.
Möglichkeiten zur Modifikation oder zum Ausschluss des Zugewinnausgleichs
Ein Ehevertrag kann den Zugewinnausgleich in verschiedener Weise beeinflussen:
- Modifizierte Zugewinngemeinschaft: Hier können bestimmte Vermögenswerte, wie Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen, vom Zugewinnausgleich ausgeschlossen werden. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn einer der Ehepartner bereits vor der Ehe bedeutende Vermögenswerte besitzt oder im Laufe der Ehe ein Unternehmen gründet.
- Gütertrennung: Durch die Vereinbarung der Gütertrennung wird der Zugewinnausgleich vollständig ausgeschlossen. Jeder Ehepartner behält sein Vermögen und Schulden komplett getrennt, sowohl während der Ehe als auch im Falle einer Scheidung.
- Kombination von Regelungen: Eheverträge können auch Mischformen enthalten, die Elemente der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung kombinieren. So kann z. B. festgelegt werden, dass bestimmte Vermögenswerte dem Zugewinnausgleich unterliegen, während andere ausgeschlossen sind.
Kaufkraftausgleich bei Scheidung – was ist das?
Der Kaufkraftausgleich spielt eine wichtige Rolle bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs im Rahmen einer Scheidung. Er dient dazu, Wertveränderungen des Geldes über die Zeit hinweg zu berücksichtigen und somit eine gerechte Vermögensaufteilung zwischen den Ehepartnern zu gewährleisten. Konkret bedeutet dies, dass das Anfangsvermögen eines Ehepartners an die aktuelle Kaufkraft zum Zeitpunkt der Scheidung angepasst wird, um Inflation oder Deflation während der Ehezeit auszugleichen.
Ohne einen Kaufkraftausgleich würde das Anfangsvermögen eines Ehepartners in nominalen Werten betrachtet, während das Endvermögen bereits die Auswirkungen von Inflation enthält. Dies könnte zu einer Verzerrung führen und den tatsächlichen Vermögenszuwachs nicht korrekt widerspiegeln. Durch die Anpassung des Anfangsvermögens an die heutige Kaufkraft wird sichergestellt, dass nur der reale Zugewinn – also der tatsächliche Vermögenszuwachs abzüglich inflationsbedingter Veränderungen – berücksichtigt wird. Dies fördert eine faire und ausgewogene Vermögensverteilung zwischen den scheidenden Ehepartnern.
Wie funktioniert der Kaufkraftausgleich?
Für die Berechnung des Kaufkraftausgleichs wird das Anfangsvermögen mithilfe eines Preisindex an die aktuelle wirtschaftliche Situation angepasst. In Deutschland wird hierfür häufig der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Dieser Index spiegelt die durchschnittliche Preisentwicklung für Waren und Dienstleistungen wider und ermöglicht somit eine genaue Anpassung an die veränderte Kaufkraft.
Beispiel zur Verdeutlichung: Angenommen, ein Ehepartner hatte zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahr 2000 ein Anfangsvermögen von 50.000 Euro. Bis zur Scheidung im Jahr 2020 ist das Vermögen auf 100.000 Euro angewachsen. Zwischen 2000 und 2020 betrug die Inflation insgesamt etwa 30 %. Durch den Kaufkraftausgleich wird das Anfangsvermögen wie folgt angepasst:
Angepasstes Anfangsvermögen: 50.000 Euro * 1,30 = 65.000 Euro
Realer Zugewinn: 100.000 Euro (Endvermögen) – 65.000 Euro (angepasstes Anfangsvermögen) = 35.000 Euro
Ohne den Kaufkraftausgleich würde der Zugewinn 50.000 Euro betragen, was jedoch die inflationsbedingte Geldentwertung nicht berücksichtigt und somit ein verzerrtes Bild des tatsächlichen Vermögenszuwachses liefert.
Optimale Vermögensplanung bei Scheidung: KWM LAW berät Sie zum Ehevertrag
Beim Abschluss eines Ehevertrags ist es entscheidend, dass dieser gut durchdacht und rechtzeitig erfolgt, um die Vermögensinteressen beider Partner optimal zu schützen. KWM LAW bietet Ihnen hierbei umfassende Unterstützung, indem unsere erfahrenen Familienrechtsexperten Sie individuell beraten – sei es vor der Eheschließung oder während der Ehe. Eine frühzeitige Beratung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass Ihre Vermögensinteressen angemessen berücksichtigt werden und der Vertrag rechtlich wirksam ist. Unsere Anwälte legen besonderen Wert darauf, dass der Ehevertrag fair und transparent gestaltet wird, da unausgewogene Verträge im Scheidungsfall leicht angefochten werden können.
Darüber hinaus empfiehlt KWM LAW, den Ehevertrag regelmäßig zu überprüfen, insbesondere bei signifikanten Veränderungen in Ihrem Leben, wie der Geburt von Kindern oder dem Erwerb von Vermögenswerten. Dies gewährleistet, dass der Vertrag stets Ihre aktuellen Bedürfnisse und Umstände widerspiegelt.
Mit der Unterstützung von KWM LAW können Sie sicher sein, dass Ihr Ehevertrag nicht nur rechtlich fundiert, sondern auch zukunftssicher gestaltet ist.