„Textform“ anstatt „Schriftform“ – Gesetzesänderung zum 1. Januar 2025
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) bringt eine wichtige Änderung für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Ab dem 1. Januar 2025 reicht die Textform statt der Schriftform für bestimmte arbeitsrechtliche Mitteilungen und Dokumentationen aus. Das bedeutet, dass diese Mitteilungen nicht mehr handschriftlich unterschrieben und auf Papier vorliegen müssen. Stattdessen genügt eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, wie eine E-Mail oder ein elektronisches Dokument.
Konkret kann dies für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bedeuten, dass bestimmte Mitteilungen und Dokumentationen schneller und einfacher elektronisch erfolgen können, was Flexibilität und Effizienz erhöht. Zudem werden Kosten und Zeit gespart, da der Aufwand für Druck, Versand und Archivierung von Papierdokumenten reduziert wird. Solange die Textform eingehalten wird, sind die Mitteilungen rechtlich bindend. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Dokumente dauerhaft gespeichert und vor Veränderungen geschützt sind.
Aber Achtung:
Die Gesetzesänderung betrifft jedoch nicht, wie es medial den Anschein erweckt, den Abschluss des Arbeitsvertrags selbst, da dieser nach deutschem Recht – konkret ist der Arbeitsvertrag in § 611a Bürgerliches Gesetzbuch, kurz BGB, geregelt – grundsätzlich keiner Schriftform bedarf und auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln zustande kommen kann. Um dies also noch einmal hervorzuheben:
Arbeitsverträge können bereits seit Inkrafttreten des BGB mündlich, mit anderen Worten „durch Handschlag“, geschlossen werden. Der Vertrag ist daher auch ohne schriftliche Vereinbarung wirksam. Hieran ändert das BEG IV nichts. Allerdings gab das Nachweisgesetz (NachwG) Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern die ordnungsrechtliche Verpflichtung auf, bestimmte Inhalte von Arbeitsverhältnissen schriftlich – also mit Originalunterschrift unterzeichnet – zu dokumentieren und der jeweiligen Arbeitnehmerin oder dem jeweiligen Arbeitnehmer auszuhängen. Wurde ein der Schriftform entsprechender Arbeitsvertrag ausgefertigt, entfiel die Verpflichtung zur Aushändigung der schriftlichen Dokumentation der Arbeitsbedingungen.
Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2025 genügen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Ihren Nachweispflichten nun, wenn sie die Arbeitsbedingungen (oder den Arbeitsvertrag selbst) in Textform ausfertigen und der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer aushändigen.
Die Wirksamkeit des mündlich geschlossenen Vertrags wird durch einen Verstoß gegen das Nachweisgesetz jedoch nicht berührt. Der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber droht allerdings nach § 4 NachwG bei Verstoß gegen die Mitteilungspflichten ein Bußgeld bis zu 2.000 €, die Verletzung der Vorgaben des Nachweisgesetzes geht daher ausschließlich zulasten der Arbeitgeberseite.
Die Textform in der Arztpraxis: Was ist zu beachten?
Möchten Praxisinhaberinnen und -inhaber ihre Nachweispflichten nach § 2 NachwG zukünftig durch Niederlegung der Arbeitsbedingungen bzw. des Arbeitsvertrags in Textform erfüllen, erscheinen die Hürden zunächst nicht all zu hoch. Der Vertragsinhalt muss der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer als lesbare Erklärung der Vertragsparteien auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden, sodass der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nach dem Gesetzeswortlaut von § 126b BGB ermöglicht wird, die „auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.“ Das Arbeitsvertragsdokument sollte daher speicher- und druckbar sein. Das gängigste Dateiformat dürfte das PDF sein, aber auch der Text in einer E-Mail genügt den Anforderungen. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber sollte lediglich sicherstellen, dass der Zugang der Erklärung bzw. die Zustimmung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zum übermittelten Vertragsinhalt nachgewiesen werden kann, beispielsweise durch ein Empfangsbekenntnis oder eine ausdrückliche Zustimmungserklärung zum Vertrag.
Vorsicht ist aber deshalb geboten, da bestimmte Rechtsgeschäfte im Arbeitsrecht, unabhängig von der Gesetzesänderung, die Einhaltung der Schriftform erfordern, sodass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber genau abgrenzen müssen, wo Textform ausreichend und an welchem Stellen Schriftform erforderlich ist. Hierauf kommen wir aber an späterer Stelle nochmals zu sprechen.
Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von Arbeitsverträgen per E-Mail
Beim Versand von Arbeitsverträgen per E-Mail sollten bestimmte Anforderungen an das Dateiformat und die Sicherheitseinstellungen beachtet werden, um die Vertraulichkeit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Es bietet sich an, das Vertragswerk stets als PDF zu übermitteln, da dieses Format nicht einfach bearbeitet oder verändert werden kann. Eine digitale Signatur oder ein Passwortschutz erhöhen zusätzlich die Sicherheit.
Die E-Mail sollte aus Gründen des Datenschutzes verschlüsselt werden, beispielsweise durch S/MIME oder PGP, um die Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Bei Verwendung einer digitalen Signatur kann so auch die Authentizität des Absenders bestätigen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen zudem – wie schon erwähnt –sicherstellen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die E-Mail und den Vertrag dauerhaft speichern kann.
Diese Maßnahmen helfen, rechtliche Risiken zu minimieren und gewährleisten, dass die Textform des Arbeitsvertrags auch in einem möglichen Rechtsstreit als gültiger Nachweis dienen kann.
Wann ist die Textform ausgeschlossen?
Neben der Frage, wann die Textform nicht zur Anwendung kommen kann, drängt sich auch die Frage auf, ob und in welchen Fällen die Textform bei Arbeitsverträgen überhaupt sinnvoll ist.
Das Bürokratieabbaugesetz wird in Hinblick auf die Änderung des Nachweisgesetzes vielfach als ein Schritt in die richtige Richtung bewertet. Ob sich im Gesundheitsbereich jedoch wesentliche Änderungen bzw. Erleichterungen ergeben, erscheint fraglich. Besonders vorteilhaft ist die Herabstufung des Formerfordernisses von Schriftform auf Textform für solche Unternehmen, bei denen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer nicht physisch am selben Ort sind. Dies umfasst beispielsweise Remote- und Hybrid-Arbeitsmodelle sowie internationale Unternehmen mit verteilten Teams. Bis zur Gesetzänderung mussten Unternehmen, um ihren Nachweispflichten nachzukommen, Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsverträge mit Originalunterschriften per Post oder Boten verschicken, damit die Dokumente mit Originalunterschrift ausgehändigt werden konnten. Dies ist zukünftig nicht mehr erforderlich, da der Versand des Arbeitsvertrags per E-Mail oder in einem anderen dauerhaften Textformat genügt. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber muss lediglich den Zugang des Dokuments nachweisen können.
Bei Arbeitsverhältnissen, in denen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit den dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich oder jedenfalls regelmäßig an demselben Ort zusammenarbeiten, wie klassischerweise in einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis, ist eine Originalunterschrift schnell geleistet, sodass der gesetzgeberisch proklamierte Bürokratieabbau marginal erscheint und der Vorteil, einen Arbeitsvertrag per E-Mail zu dokumentieren, verpufft.
Kontraproduktiv dürfte sich sogar auswirken, dass bestimmte Rechtsgeschäfte, anders als der Abschluss eines Arbeitsvertrags selbst, für ihre Wirksamkeit die Schriftform erfordern, sodass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zukünftig unterscheiden müssen, wann sie auf die Textform zurückgreifen können und in welchen Fällen die Schriftform zwingend ist.
Die Textform reicht nicht aus, wenn das Gesetz ausdrücklich eine andere Form vorschreibt. Im Arbeitsrecht sind dies insbesondere:
- Befristungsabreden: § 14 Abs. 4 TzBfG knüpft an die Wirksamkeit von Befristungsabreden die Schriftform. Zwar kann diese vorliegend durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden, allerdings erfordert dies, dass die jeweiligen Aussteller (gemeint sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer) dem Vertrag ihren Namen hinzufügen und das elektronische Dokument jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift führt nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages selbst, sondern lediglich zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede, es entsteht also ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
- Wettbewerbsverbote: Auch nach § 110 Gewerbeordnung (GewO)in Verbindung mit den §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) ist für Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote die Schriftform erforderlich.
- Kündigungen: Zwar steht die Kündigung nicht mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages in unmittelbarem Zusammenhang, aber als sog. actus contrarius zum Vertragsabschluss dennoch häufig relevant. Nach § 623 BGB müssen Kündigungen von Arbeitsverhältnissen schriftlich erfolgen. Eine E-Mail oder andere Formen der Textform sind hier nicht ausreichend, die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Hinzu tritt – um auf den vermeintlichen Vorteil der Änderung des Nachweisgesetzes zurückzukommen –, dass bei ausdrücklichem Verlangen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nach einer der Schriftform entsprechenden Dokumentation der Arbeitsbedingungen diese auch weiterhin in Schriftform, also mit Originalunterschrift des Arbeitgebers, an die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer auszuhändigen sind – und dies nach dem Wortlaut des Gesetzes unverzüglich.
Fazit: Praktische Erleichterungen, aber auch Vorsicht geboten
Die Änderungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV bieten viele Vorteile, vor allem für Unternehmen mit Remote- oder Hybrid-Arbeitsmodellen, bei denen der Versand von Papierdokumenten häufig umständlich und zeitaufwendig ist. Dennoch müssen Arbeitgebende aufpassen, dass sie in den Fällen, in denen das Gesetz die Schriftform vorschreibt, weiterhin die entsprechenden Anforderungen erfüllen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Einführung der Textform bietet eine vereinfachte Handhabung in vielen Bereichen des Arbeitsrechts, erfordert aber auch ein gewisses Maß an Vorsicht und Genauigkeit, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden.