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Gibt es eine allgemeine Einbestellungspflicht des Arztes?

Ein Beitrag von RA Dr. Großbölting und wissenschaftlichem Mitarbeiter Karl Lenke

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln befasste sich in einem aktuellen Urteil (vom 17.06.2024 – 5 U 133/23) mit der Frage, ob Ärzte verpflichtet seien, Patienten aktiv einzubestellen, wenn diese eine empfohlene Wiedervorstellung nicht wahrnehmen.

Im Juni 2017 wurde bei der Klägerin von den beiden beklagten Gynäkologinnen eine Verhärtung in der Brust festgestellt und eine Kontrolle nach drei Monaten empfohlen. Nach fünf Monaten stellte sich die Patientin im November 2017 erneut vor, da es zu weiteren Auffälligkeiten, einschließlich einer Hautrötung gekommen war. Erst weitere neun Monate später – im August 2018 – erfolgte eine maligne Befundung, die letztlich zur späten Diagnose eines invasiv-lobulären Karzinoms führte. Die Klägerin behauptete, eine frühzeitigere Diagnose hätte ihre Prognose verbessert und invasivere Therapien vermeiden können. Sie forderte ein Schmerzensgeld von mindestens 85.000 € sowie die Feststellung weitergehender Schadensersatzansprüche.

Die Klägerin argumentierte insbesondere, dass die Beklagten im November 2017 einer Einbestellungspflicht unterlagen sowie die Risiken nicht hinreichend kommunizierten.

Das OLG Köln wies die Berufung nun als unbegründet zurück. Das Landgericht habe zunächst zu Recht entschieden, dass keine Behandlungs- oder Befunderhebungsfehler festzustellen seien. Ein Sachverständiger bestätigte, dass die durchgeführte Tastuntersuchung und Mammasonographie fachgerecht waren.

Auch eine allgemeine “Einbestellungspflicht“ ist grundsätzlich nicht anzunehmen. Sie widerspricht der freien Entscheidung des Patienten darüber, ob und von wem er sich behandeln lassen möchte. Der Arzt darf daher davon ausgehen, dass der Patient eigenverantwortlich handelt. Eine zwangsweise Einbestellung und Behandlung kommen nicht in Betracht, vor allem, weil dem Arzt schon keine Zwangsmittel zur Verfügung stehen, diese durchzusetzen.

Das OLG sah demnach abschließend keine Behandlungsfehler und keine Pflichtverletzung bei der Organisation der Verlaufskontrolle.

Der Fall verdeutlicht erneut, wie entscheidend eine sorgfältige Dokumentation und klare Kommunikation in der ärztlichen Praxis sind. Insbesondere eine lückenlose und konsistente Dokumentation der Befunde und empfohlenen Maßnahmen kann im Streitfall entscheidend sein. Die Bedeutung und Dringlichkeit von Kontrolluntersuchungen müssen den Patienten eindeutig kommuniziert werden, eine Einbestellungspflicht darüber hinaus besteht allerdings nicht.

KWM Autor
Dr. Ralf Großbölting
Partner
Fachanwalt für Medizinrecht
Justiziar des BAO
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