Ein Beitrag von Dr. Nicolai Culik und dem wissenschatlichen Mitarbeiter Henning Ahlers
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einem kürzlich ergangenen Urteil mit der wirksamen Zustellung von Kündigungen auseinandergesetzt. Anhand des Urteils beleuchtet der Beitrag das Thema umfassend und schließt mit rechtssicheren Handlungsempfehlungen für die Praxis.
Die Entscheidung
Die Arbeitgeberin, eine Augenarztpraxis, sah sich gezwungen, ihre Arbeitnehmerin aufgrund von verhaltensbedingten Gründen zu kündigen. Kündigungen von Arbeitsverträgen müssen schriftlich erfolgen und dem Empfänger zugehen, d.h. – so die klassische juristische Definition – sie muss in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangen und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehen, von ihr Kenntnis zu nehmen. Als klassische Empfangseinrichtung gilt der Briefkasten, der einmal täglich geleert werden muss. Problematisch ist stets der rechtssichere Nachweis des Zugangs des Kündigungsschreibens, den der Arbeitgeber beweisen muss, wenn sich der Arbeitnehmer in einem späteren Kündigungsschutzprozess darauf beruft, die Kündigung nicht (oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach Ablauf von Probe- bzw. Wartezeit) erhalten zu haben.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall versendete die Augenärztin dem Arbeitnehmer die Kündigung per Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post und legte im gerichtlichen Verfahren die Sendungsnummer sowie den Einlieferungsbeleg vor. Den entsprechenden Auslieferungsbeleg, der aus einem Abziehetikett der Sendungsnummer, der Unterschrift des Postangestellten und der Datumsangabe des Einwurfs besteht, konnte sie allerdings nicht als Beweis anführen, weil dieser lediglich 15 Monate auf der Webseite der Deutschen Post heruntergeladen werden kann und die Praxisinhaberin dies innerhalb dieses Zeitraums versäumte.
Aus diesem Grund konnte die Arbeitgeberin nach dem BAG den Zugang des Schreibens nicht nachweisen. Der reine Online-Status der Sendung („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt“) sei nicht ausreichend für den Beweis der Zustellung: Es fehlten Angaben über die Person des den Einwurf bewirkenden Postbediensteten und über die Einzelheiten sowie die Durchführung der Zustellung.
Allerdings ließ das BAG ausdrücklich offen, ob die Vorlage des Auslieferungsbeleges beim Einwurf-Einschreiben im Rahmen von Kündigungen ausreichend gewesen wäre. In diesem Feld besteht also nach wie vor eine große Rechtsunsicherheit.
Empfehlungen für die Praxis
In Anbetracht dieser Rechtsunsicherheit ergeben sich aus anwaltlicher Perspektive zwei zu empfehlende Möglichkeiten: Die Aushändigung der Kündigung in der Praxis und den Einwurf in den Briefkasten durch einen Boten.
Die Übergabe in der Praxis ist der einfachere Fall: Hierbei sollten zwei jeweils handschriftlich unterschriebene Kündigungen erstellt werden. Die Unterschriften müssen lesbar sein; insbesondere ist eine Paraphe nicht ausreichend, um die Schriftform zu wahren. Die Kündigungen sollten über Empfangsbestätigungen verfügen, die mit Datum und Uhrzeit ausgefüllt und von dem Arbeitnehmer unterschrieben werden.
Dieses Vorgehen ist etwa bei Krankheit oder Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses nur erschwert durchführbar. Für diesen Fall ist die Überbringung der Kündigung durch einen Boten anzuraten. Nicht die Praxisinhaberin (oder bspw. ein MVZ-Geschäftsführer) sollte die Kündigung überbringen, sondern z.B. ein Mitarbeitender, damit dieser in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess als Zeuge aussagen kann. Der Bote muss bezeugen können, dass es sich bei dem Schreiben um eine Kündigung an den entsprechenden Mitarbeitenden handelt und dass diese handschriftlich unterschrieben ist. Die Kündigung sollte dementsprechend „vor seinen Augen“ unterschrieben und in den Briefumschlag gesteckt werden. Dieses Vorgehen ist datenschutzrechtlich zulässig, denn die Einsichtnahme durch den Mitarbeitenden ist vor dem Hintergrund der Absicherung bzgl. eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses erforderlich. Sodann kommt der Bote dem Auftrag nach, die Kündigung an die Privatadresse des zu kündigenden Arbeitnehmers zuzustellen. Der Bote kann den Einwurf selbst fotografisch oder per Video dokumentieren. In jedem Fall sollte er den Einwurf schriftlich dokumentieren (Ort, Datum, Uhrzeit, Unterschrift) und diese Dokumentation dem Arbeitgeber zukommen lassen.
Zusammengefasst besteht im Rahmen einer Kündigung – neben den Anforderungen an ihre inhaltliche Rechtfertigung – bei ihrer wirksamen Zustellung eine Vielzahl an Förmlichkeiten, die unbedingt zu beachten ist, um sich rechtssicher von dem Arbeitsverhältnis zu lösen.