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Neue Anforderungen an die Barrierefreiheit von Website – was jetzt fĂŒr Arztpraxen wichtig ist

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jonas Baumgartner und Rechtsreferendar Timo Blank

BarrierefreiheitsstĂ€rkungsgesetz (BFSG): Was ist das BFSG und was gilt fĂŒr Praxis-Websites?

Ab dem 28.06.2025 tritt das BarrierefreiheitsstĂ€rkungsgesetz (BFSG) in weiten Teilen in Kraft. Es setzt eine EU-Richtlinie national um und verfolgt das Ziel, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. DafĂŒr werden Anbieter verpflichtet, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten – auch digitale Angebote wie Websites. Bei Nichtbeachtung können Bußgelder verhĂ€ngt werden.

Das BFSG richtet sich grundsĂ€tzlich an alle Unternehmer (§ 14 BGB), die Produkte oder bestimmte Dienstleistungen an Verbraucher (§ 13 BGB) verkaufen oder anbieten. FĂŒr Ärztinnen, ZahnĂ€rzte und Praxisbetreiber relevant: Nach § 2 Nr. 26 BFSG sind auch „Dienstleistungen im elektronischen GeschĂ€ftsverkehr“ erfasst – darunter fĂ€llt bereits die Möglichkeit einer Terminbuchung ĂŒber die Website, egal ob fĂŒr einen Praxisbesuch oder eine Videosprechstunde. Damit wird bereits ein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag vorbereitet – und das genĂŒgt fĂŒr die Anwendbarkeit des Gesetzes.

Greift das BFSG bei allen Praxen mit Online-Terminvergabe?

Nein. Eine wichtige Ausnahme gilt fĂŒr Kleinstunternehmer (§ 2 Nr. 17 BFSG): Wer weniger als 10 VollzeitbeschĂ€ftigte hat und unter 2 Millionen Euro Jahresumsatz bleibt, ist von den Pflichten befreit.

Welche Anforderungen stellt das Gesetz konkret an Praxiswebsites?

Wenn eine Website Funktionen enthĂ€lt, ĂŒber die ein VertragsverhĂ€ltnis angebahnt oder abgeschlossen werden kann (z. B. Terminbuchung), muss die gesamte Seite barrierefrei gestaltet sein. Ziel ist, dass auch Menschen mit EinschrĂ€nkungen die Seite selbststĂ€ndig nutzen und sich umfassend informieren können.

Dabei verlangt das Gesetz Barrierefreiheit nach dem „Stand der Technik“. Konkrete technische Vorgaben enthĂ€lt es zwar nicht, doch die Bundesfachstelle fĂŒr Barrierefreiheit wurde beauftragt, einschlĂ€gige Standards auf ihrer Website zu veröffentlichen. Bis dahin gilt: Wer diese Standards anwendet, profitiert von einer gesetzlichen KonformitĂ€tsvermutung (§§ 4, 5 BFSG).

Da diese offiziellen Standards noch in Entwicklung sind, empfiehlt sich die Orientierung an bereits etablierten Vorgaben, etwa nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Hilfreiche Kriterien sind unter anderem:

  • ein ausreichendes KontrastverhĂ€ltnis (z. B. 4,5:1),
  • Bedienbarkeit via Maus und Tastatur,
  • Vorlesbarkeit der Inhalte,
  • klare und verstĂ€ndliche Sprache,
  • technisch robuste und zugĂ€ngliche Struktur.

BarrierefreiheitserklÀrung als Pflichtbestandteil

Betreiber mĂŒssen eine sogenannte BarrierefreiheitserklĂ€rung auf ihrer Website bereitstellen – gut auffindbar, mit ErlĂ€uterung der Funktionen und Angabe, welche Vorgaben erfĂŒllt wurden (oder nicht). Fehlt diese ErklĂ€rung oder ist sie fehlerhaft, gilt die Website formell als nicht barrierefrei – unabhĂ€ngig von der technischen Umsetzung.

Reicht externe Software zur Umsetzung der Anforderungen?

Viele Anbieter versprechen einfache Lösungen per externer Software, die Farben, SchriftgrĂ¶ĂŸen oder Lesemodi dynamisch anpasst. Diese Tools sind oft hilfreich und orientieren sich an bekannten Standards (z. B. fĂŒr Behörden-Websites). Zwar gibt es noch keine offizielle Zertifizierung, aber es ist davon auszugehen, dass einige Anbieter kĂŒnftig anerkannt werden.

Fazit

Das BFSG bringt viele neue Pflichten – bleibt dabei aber zunĂ€chst inhaltlich unkonkret. Begriffe wie „Stand der Technik“ oder „Barrierefreiheit“ mĂŒssen noch gefĂŒllt werden. Deshalb ist bei Gesetzeseintritt kein perfekter Zustand erforderlich: Behörden setzen auf Zusammenarbeit statt sofortige Sanktionen. Bei vermuteter NichtkonformitĂ€t werden Praxisbetreiber zunĂ€chst kontaktiert, bevor Bußgelder drohen.

Auch wenn keine absolute Umsetzung ab Tag 1 erwartet wird, sollten betroffene Praxen nicht abwarten. Besser ist es, sich frĂŒhzeitig mit der Thematik zu befassen und bestehende Barrieren schrittweise abzubauen. Langfristig wird das BFSG – gerade durch seinen weiten Anwendungsbereich – an Bedeutung gewinnen, und mit jeder PrĂ€zisierung steigen die Anforderungen.

KWM Autor
Jonas Baumgartner
Rechtsanwalt
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