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Neues „FOCUS-Gesundheit“-Urteil wirft Rechtsfragen auf

Einleitung

Seit mittlerweile fast 30 Jahren veröffentlicht das Magazin „FOCUS Gesundheit“ vom Burda-Verlag die FOCUS-Ärztelisten, welche die führenden Mediziner Deutschlands darstellt. Daneben wird das sog. Ärzte-Siegel vergeben, mit dem die in der Ärzteliste aufgenommenen Ärzte u. a. mit der Bezeichnung „TOP-Medizinern“ ausgezeichnet werden. Mit aktuellem Urteil aus dem Jahr 2023 wurde der Verlag nunmehr verurteilt, die Vergabe dieser Siegel in Zukunft einzustellen, da es an einer objektiven Grundlage für deren Vergabe mangele und deshalb für Patienten irreführend sei.

Ärztelisten, Jameda und Co.

Die aktuelle Entscheidung reiht sich in die Reihe zweier weiterer Urteile gegen Burda aus den 1990er-Jahren ein, die ebenfalls die Ärztelisten betrafen. Hierbei ging es um die Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit der Auswahlkriterien für die Ärztelisten im wettbewerbsrechtlichen Kontext. Seitdem stellt der Verlag auf der Website des Magazins „FOCUS Gesundheit“ die Methodik der Ärzteauswahl schrittweise dar und beschreibt sie dort als „Recherche in öffentlichen Datenquellen kombiniert mit Kollegenbefragungen und einer umfangreichen Selbstauskunft“.

Auch Ärztebewertungsportale wie Jameda sahen sich in der Vergangenheit häufiger mit wettbewerbsrechtlichen Einschränkungen konfrontiert. Das Landgericht München I hatte etwa 2016 klar-gestellt, dass bei den jeweiligen Verkehrskreisen nicht der Eindruck erweckt werden darf, dass der in Ärzterankings an oberster Stelle auftauchende Arzt, derjenige mit den besten Patientenbewertungen ist, wenn er diese Top-Platzierung in Wirklichkeit entgeltlich erworben hat. Hier wurde der Argumentationslinie gefolgt, dass es für den Nutzer irreführend sei, wenn nicht kenntlich gemacht würde, dass die Auszeichnung bzw. Platzierung in einem Ranking von der Zahlung eines Entgelts abhängig ist.  

In der Rechtsprechung ist seitdem ein Trend zu verzeichnen, der es Anbietern von Ärztelisten und -rankings erschwert, ein Geschäftsmodell aus der Ärztebewertung zu machen. Gerade bei Jameda, wo zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Ärzten unterschieden wird, liegt erhebliches Konflikt-potenzial in Bezug auf die zu wahrende Objektivität. Dies gilt vor allem deswegen, weil die Bewertungsportale laut BGH lediglich die Rolle eines „neutralen Informationsmittlers“ einnehmen sollen. Der rote Faden, der sich durch die gerichtlichen Entscheidungen auf diesem Gebiet zieht, ist der Verbraucherschutz und insbesondere Transparenz für die Nutzer. Sie sollen die Möglichkeit haben, nachvollziehen zu können, auf welcher Grundlage die Auszeichnung und Bewertung von Ärzten erfolgt, gerade dort, wo der Anschein von Objektivität und Neutralität erweckt wird.

Aktuelles Urteil

Diesen roten Faden greift auch das Landgericht München I in seiner neusten Entscheidung von Februar 2023 auf. Dem Urteil des Landgerichts lag insofern eine Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale gegen den Burda-Verlag zugrunde, wonach die Vergabe der Ärztesiegel gestoppt werden sollte.

Die im Focus Magazin enthaltenen Rankings werden auf Grundlage von verschiedenen – vielfach subjektiven – Kriterien erstellt, wie z. B. Kollegenempfehlung, Facharzt- und Zusatzbezeichnung, Gutachtertätigkeit oder Patientenzufriedenheit. Im Zuge dessen werden auch die streitgegenständlichen Qualitäts-Siegel wie „TOP-Mediziner“ und „FOCUS-Empfehlung“ verliehen, welche von Ärzten gegen eine jährliche Lizenzgebühr von rund 2000 € werbend genutzt werden können und wovon in der Vergangenheit rege Gebrauch gemacht wurde. Auf seiner Website gibt der FOCUS an, die Siegel würden die führenden Experten in Therapie und Diagnostik bezeichnen. Haupt-Auswahlkriterium ist dabei die Empfehlung durch ärztliche Kollegen, aber auch eine umfangreiche Selbstauskunft des Arztes. Optisch haben die Siegel die Aufmachung eines Prüfzeichens und ähneln denen der „Stiftung Warentest“.

Die klagende Wettbewerbszentrale sieht dieses Vorgehen deshalb als irreführend für die Patienten an, weil bei der Verleihung der Ärztesiegel hauptsächlich subjektive Kriterien herangezogen würden, die Siegel allerdings den Anschein einer gewissen Objektivität erweckten. Auch dass die Ärzte sich die Siegel „kaufen“ müssen, hinterlasse ein Störgefühl. Burda hingegen beruft sich auf die Pressefreiheit und argumentiert mit dem Bedürfnis in der Ärzteschaft, die Empfehlung aus der Ärzteliste den Patienten gegenüber kommunizieren zu können. Der Verlag hält sein System, welches er für die Erstellung der Listen und Verleihung der Siegel entwickelt hat darüber hinaus für die mit Ab-stand beste Grundlage für die Empfehlung. Ärzte könnten für verschiedene Kriterien Punkte erzielen, welche zu einem „Gesamtscore“ addiert würden. Dazu gehörten in absteigender Gewichtung u.a. Kollegenempfehlung, Facharzt- und Zusatzbezeichnung, wissenschaftliche Vortragstätigkeit sowie Patientenempfehlungen. Die Wettbewerbszentrale kritisiert hieran insbesondere, dass gerade Ärzte, die keiner leitenden Tätigkeit nachgehen, sondern sich im Alltag gänzlich der medizinischen Tätigkeit widmeten, hochwertige Arbeit abliefern würden, aber bei der Vergabe der Siegel noch nicht einmal in die Vorauswahl aufgenommen würden. Für Burda spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle, da die Lizenzierung der Siegel nach eigenen Angaben einen Großteil der Refinanzierung der Ärztelisten ausmache.

Das Landgericht München I schloss sich weitestgehend der Seite der Wettbewerbszentrale an und verurteilte Burda, die Vergabe von Ärztesiegeln für die Zukunft zu unterlassen. Die Vergabe der Siegel sei irreführend und verstoße gegen das Wettbewerbsrecht. Das Gericht steht auf dem Standpunkt, es werde der Eindruck erweckt, die mit dem Siegel ausgezeichneten Ärzte hätten dieses aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung erhalten und würden deshalb eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen. Patienten bzw. Leser des Magazins würden aufgrund der optischen Gestaltung der Siegel diese ähnlich wie die der „Stiftung Warentest“ auffassen und erwarten, dass eine neutrale und fachkundige Stelle die ärztlichen Leistungen auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft habe. Es sei grundsätzlich natürlich schwierig, ärztliche Dienstleistungen objektiv zu ermitteln und zu vergleichen, allerdings seien viele Kriterien dabei, die ausschließlich auf subjektiven Elementen beruhen würden. Die Ärztesiegel würden den Eindruck erwecken, dass ihnen eine mathematisch nachvollziehbare Wertungsentscheidung zugrunde liege, sei aber in Wahrheit ein rein subjektives Qualitätsurteil, welches durch das Siegel objektiviert würde. Die Pressefreiheit sieht das Gericht als nicht verletzt an, da in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen wertenden Beitrags verlassen werde und der Eindruck entstehe, es fände eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt. Dem finanziellen Argument begegnet die Kammer damit, dass Medien regelmäßig nicht darauf angewiesen seien, sich durch die Vergabe solcher Prüfsiegel gegen Entgelt zu finanzieren. Diese Art der Finanzierung sei unüblich und nicht zwingend erforderlich, schließlich habe sich das Magazin früher ganz offensichtlich anders finanziert.

Ausblick

Der Burda-Verlag will sich mit diesem Urteil nicht zufriedengeben. Er hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen. Nach wie vor steht er hinter der Veröffentlichung der Ärzte-Siegel und sieht diese als eine wichtige Orientierungshilfe für Verbraucher. Es ist nicht auszuschließen, dass der Fall bis zum Bundesgerichtshof geht.

KWM Autor
Dr. Tobias List
Rechtsanwalt
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